Stimmen aus der Dunkelheit: Der Kampf afghanischer Frauen gegen die Unterdrückung durch die Taliban

Seit mehr als zwei Jahren sind diese Worte bittere Realität. Die Türen der Oberschulen und Universitäten für 3,7 Millionen afghanische Mädchen und Frauen sind geschlossen. Afghanistan ist damit das einzige Land der Welt, das den Zugang zu Bildung für Frauen systematisch verbietet.
Hunderte Briefe aus verschiedenen Regionen und Provinzen Afghanistans erreichten mich in den vergangenen zwei Jahren. Sie zeichnen ein erschütterndes Bild vom Leben der Frauen in allen Altersklassen und Lebenslagen: von Hausfrauen bis zu ehemaligen Universitätsprofessorinnen, von Sechstklässlerinnen bis zu 80-jährigen Witwen. Das Leben all dieser Frauen ist geprägt von Angst, Verzweiflung und Aussichtslosigkeit.
Die Frauen schildern, wie sie Angst haben, ihr Zuhause zu verlassen. Die Taliban kontrollieren den öffentlichen Raum, schränken die Bewegungsfreiheit von Frauen ein und verhängen drakonische Strafen für vermeintliche Verstöße gegen ihre Regeln. Mädchen dürfen nicht mehr zur Schule gehen, Frauen werden aus ihren Jobs vertrieben und ihnen wird die freie Meinungsäußerung und politische Teilhabe verwehrt. Sie berichten von häuslicher Gewalt und sexuellen Übergriffen, ohne jegliche Unterstützung oder Schutz in der aktuellen Situation. Die Taliban haben Frauenhäuser geschlossen und NGOs, die sich für die Rechte der Frauen einsetzen, behindern oder zerschlagen.
Die Briefe sind ein Zeugnis für die Notlage der afghanischen Frauen, die in einem unerbittlichen Kreislauf aus Unterdrückung und Leid gefangen sind.
Afghanische Frauen fühlen sich, als wären sie erneut von der Weltgemeinschaft im Stich gelassen und verraten. Die internationale Gemeinschaft hat es versäumt, die Errungenschaften der letzten Jahre zu schützen und die Frauen vor der Tyrannei der Taliban zu bewahren. Aber auch die eigenen Landsleute haben sie im Stich gelassen: Männer, die mit den Taliban kollaborieren oder aus Angst schweigen, tragen zur Unterdrückung der Frauen bei.
Die Missachtung von Frauen und Weiblichkeit ist ein zentrales Merkmal des Lebens unter der Taliban-Herrschaft. Die Taliban verachten Frauen und alles, wofür sie stehen, und setzen ihre Ideologie der Unterdrückung und Diskriminierung konsequent um.
Wir stehen heute nicht nur vor einer Geschlechter-Apartheid, sondern vor der totalen sozialen Eliminierung von Frauen.
Gewiss, die Situation der Frauen in Afghanistan ist düster. Aber es gibt Hoffnung. Inmitten der Unterdrückung und Verzweiflung erheben afghanische Frauen ihre Stimmen und fordern Veränderung. Ich habe dutzende von ihnen interviewt und ihre Vorschläge für eine bessere Zukunft gesammelt. Ihre Forderungen lassen sich in drei Kategorien einteilen:
1. Stärkung der kollektiven Stimme
Die afghanischen Frauen haben bereits bewiesen, dass sie zu kollektivem Handeln fähig sind. Der Eifer und die Hingabe der Demonstrantinnen nach der Machtübernahme der Taliban zeigten das Potenzial ihrer Initiativen, einen historischen Wandel auszulösen. Um ihre Widerstandskraft zu stärken, sollten sie sich auf den Aufbau einer starken, vereinten Bewegung mit gemeinsamen Zielen konzentrieren. Die vergangenen Monate haben gezeigt, dass die Aktivistinnen mit den bisherigen Mitteln nicht ausreichend gegen die Unterdrückungspolitik der Taliban gerüstet sind. Es bedarf einer strategischen Weiterentwicklung des Widerstands, um effektiver und nachhaltiger zu sein. Die afghanischen Frauen im Widerstand benötigen dringend materielle, intellektuelle und psychologische Unterstützung. Die internationale Gemeinschaft und zivilgesellschaftliche Organisationen müssen Ressourcen bereitstellen, um die Widerstandsfähigkeit der Aktivistinnen zu stärken, ihre Sicherheit zu gewährleisten und ihre Bemühungen zu professionalisieren.
2. Die entscheidende Rolle afghanischer Männer
Die Unterstützung der afghanischen Männer ist für die Frauenbewegung von immenser Bedeutung. Männer genießen in der afghanischen Gesellschaft oft eine privilegierte Position und tragen somit die Verantwortung, aktiv für die Gleichstellung der Geschlechter einzutreten.
Männer spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Geschlechtergerechtigkeit und der Überwindung von patriarchalen Strukturen. Es ist wichtig, dass sie sich bewusst werden über Geschlechterrollen und -stereotypen und wie diese das Leben von Frauen beeinflussen können. Bildungsprogramme und gezielte Kampagnen können dazu beitragen, Männer für die negativen Auswirkungen patriarchaler Normen zu sensibilisieren und alternative Denkweisen zu fördern.
Darüber hinaus ist es von großer Bedeutung, dass Männer aktiv daran teilnehmen, Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen zu bekämpfen. Dies kann durch die Teilnahme an Protesten, Kampagnen und durch das Eingreifen gegen frauenfeindliche Äußerungen und Handlungen im eigenen Umfeld geschehen.
Des Weiteren können Männer eine bedeutende Rolle dabei spielen, kulturelle Barrieren zu überwinden, die Frauen den Zugang zu Bildung, Beruf und politischer Teilhabe erschweren. Indem sie als Vorbilder agieren und andere Männer dazu ermutigen, die Fähigkeiten und Talente von Frauen anzuerkennen und zu unterstützen, können sie dazu beitragen, eine gerechtere und inklusivere Gesellschaft zu schaffen.
Nachhaltige Veränderung kann nur durch die Zusammenarbeit von Männern und Frauen erreicht werden. Die Bildung von gemischten Bündnissen und die Förderung von Dialog und gegenseitigem Verständnis sind unerlässlich.
3. Internationale Solidarität als Schlüssel zum Erfolg
Den afghanischen Frauen kann nur geholfen werden, wenn die internationale Gemeinschaft ihre Unterstützung und Solidarität zu einem gemeinsamen Kampf für Freiheit, Gleichheit und Unabhängigkeit mobilisiert und koordiniert.
Die Krise der Frauenrechte in Afghanistan ist ein Testfall für die internationale Solidarität. Die Weltgemeinschaft muss sich geschlossen hinter die afghanischen Frauen stellen und ihnen zeigen, dass sie nicht allein sind. Der Ausschluss von Frauen aus dem öffentlichen und gesellschaftlichen Leben in Afghanistan darf kein Modell für andere Gesellschaften werden. Wenn die Weltgemeinschaft tatenlos zusehen lässt, könnte dies zu einem Dominoeffekt führen und die Rechte von Frauen weltweit gefährden. Frauen auf der ganzen Welt haben die Verantwortung, sich mit den afghanischen Frauen zu solidarisieren.
Der Internationale Frauentag am 8. März rückt die Situation der Frauen in Afghanistan erneut ins Rampenlicht. Unsere Solidarität mit ihnen darf sich jedoch nicht auf diesen einen Tag beschränken. Wir müssen jeden Tag aktiv werden, um die afghanischen Frauen in ihrem Kampf zu unterstützen.
Wir können die Frauen unterstützen, indem wir verschiedene Maßnahmen ergreifen:
Zunächst ist es wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten. Das bedeutet, dass wir uns über die aktuelle Situation der Frauen in Afghanistan informieren und unser Umfeld dafür sensibilisieren. Je mehr Menschen sich bewusst sind, desto größer ist die Chance, dass sich etwas ändert.
Des Weiteren können wir konkrete Unterstützung leisten, indem wir Organisationen unterstützen, die sich für die Rechte der Frauen in Afghanistan einsetzen. Das kann sowohl finanzielle Unterstützung als auch aktive Mitarbeit bedeuten. Indem wir uns aktiv engagieren, tragen wir dazu bei, dass diese Organisationen ihre Arbeit effektiv fortsetzen können.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist es, politischen Druck auszuüben. Wir sollten unsere politischen Vertreter*innen dazu auffordern, sich aktiv für die Verbesserung der Situation der Frauen in Afghanistan einzusetzen. Dies kann durch Petitionen, Briefe an politische Entscheidungsträger oder öffentliche Aktionen geschehen. Es ist entscheidend, dass unsere Stimmen gehört werden und dass sich die Regierungen weltweit für die Rechte und Sicherheit der afghanischen Frauen einsetzen.
Lasst uns gemeinsam zeigen, dass wir uns für die Frauen in Afghanistan einsetzen und uns nicht von den schrecklichen Zuständen dort abwenden. Lasst uns aufstehen und eine Stimme für diejenigen sein, die keine Stimme haben. Lasst uns die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für die Frauen in Afghanistan am Leben erhalten. Denn nur durch gemeinsames Engagement und kontinuierliches Handeln können wir einen Wandel bewirken.
Briefe aus der Realität:
“An die freie Welt,
Ich schreibe Ihnen diesen Brief aus Herat, Afghanistan, einem Land, das von Armut, Krieg und Unterdrückung geplagt ist.
Ich war Lehrerin, bevor die Taliban die Macht übernahmen. Jetzt darf ich nicht mehr arbeiten. Mein Mann wurde getötet, und ich muss meine Kinder allein ernähren. Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll.
Frauen und Mädchen in Afghanistan leiden unter den Taliban. Sie haben keine Rechte mehr. Sie dürfen nicht zur Schule gehen, nicht arbeiten und nicht ohne Begleitung das Haus verlassen. Die Taliban kontrollieren jeden Aspekt unseres Lebens.
Wir bitten Sie um Hilfe. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um zu überleben und unsere Zukunft zu gestalten. Bitte helfen Sie uns, unsere Rechte zurückzuerlangen und ein freies und selbstbestimmtes Leben zu führen.
Mit Hoffnung,
Mina”
“Hallo,
Ich schreibe diesen Brief in der Hoffnung, dass jemand meine Geschichte hört und mir hilft. Ich bin eine Frau in Panjsher, Afghanistan und mein Leben ist in Gefahr.
Seit die Taliban die Macht übernommen haben, hat sich die Situation für Frauen und Mädchen dramatisch verschlechtert. Ich selbst wurde bereits mehrmals von den Taliban geschlagen, weil ich nicht richtig gekleidet war. Ich habe Angst, auf die Straße zu gehen, und ich habe Angst um mein Leben.
Ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich habe keine Familie, die mir helfen kann, und ich habe kein Geld, um aus Afghanistan zu fliehen.
Ich bitte Sie von ganzem Herzen um Hilfe. Bitte helfen Sie mir, aus diesem Albtraum zu entkommen.
Mit freundlichen Grüßen,
Layla”
“Hallo,
Ich bin eine Frau in Mazar-E-Sharif Afghanistan und meine Situation ist sehr schwierig. Ich fühle mich ständig eingesperrt und bedroht.
Die Zukunft Afghanistans sieht düster aus. Die Wirtschaft ist zusammengebrochen, die Menschen hungern und es gibt keine Hoffnung auf Frieden. Ich bin verzweifelt und weiß nicht, was ich tun soll.
Ich bitte Sie um Hilfe:
Bitte helfen Sie den Frauen und Mädchen in Afghanistan. Wir brauchen Ihre Unterstützung, um unsere Rechte zu verteidigen und ein freies und selbstbestimmtes Leben zu führen.
Bitte setzen Sie sich für Frieden und Gerechtigkeit in Afghanistan ein. Die Menschen hier haben genug von Krieg und Gewalt. Sie verdienen es, in Sicherheit und Würde zu leben.
Ich weiß, dass Sie weit weg sind, aber Sie können einen Unterschied machen. Bitte vergessen Sie uns nicht.
Mit freundlichen Grüßen
Madina”
“Sehr geehrte Damen und Herren,
ich schreibe Ihnen diesen Brief aus Pakistan.
Meine Familie und ich haben alles verloren. Wir leben jetzt in einem Flüchtlingslager in der Nähe von Islamabad, wo die Bedingungen katastrophal sind.
Wir brauchen dringend Hilfe! Wir brauchen Lebensmittel, Wasser, Kleidung und Medikamente. Wir brauchen auch eine sichere Unterkunft und die Möglichkeit, unsere Kinder zur Schule zu schicken.
Bitte helfen Sie uns!
Mit freundlichen Grüßen,
Homayra”
Vielen Dank an unser Mitglied baaham e.V.! Nicht nur für die Übersetzung der Briefe, sondern Ihren Einsatz für die Frauen vor Ort und hier in Deutschland!
Von der „Fledermaus“ zum kollektiven Sündenbock: Wie Vorurteile das Leben von afghanischen Flüchtlingen zerstören

Es ist 20 Uhr in Maschhad. Mein Onkel kommt von der Arbeit nach Hause, seine Stirn in Sorgenfalten gelegt. „Er war ein Afghane, vielleicht müssen wir das Land verlassen “ sagt er leise, während sich die Familie um ihn versammelt. Die Rede ist von einem Mann, der als „Fledermaus-Mörder“ bekannt ist. Wochenlang beherrscht dieser Name die Gespräche – im Supermarkt, in der Schule, in den Warteschlangen vor dem Bäcker. Der Mörder, der Frauen vergewaltigt und tötet, soll aus Afghanistan stammen.
Für die afghanischen Einwohner Irans verschlimmert sich die ohnehin schon schwierige Situation. Beleidigungen und Beschimpfungen von Nachbarn und Arbeitskollegen werden zur traurigen Realität. Meine Oma traut sich nicht mehr zum Bäcker, aus Angst, ihr afghanischer Akzent könnte sie verraten.
Die Polizei bildet Sondereinheiten, die gnadenlos Jagd auf Afghanen machen. Ohne Papiere droht sofortige Abschiebung – und zwar auf grausame Weise. Tausende Afghanen werden so aus ihrem Leben im Iran gerissen, Familien zerstört, Existenzen vernichtet. Afghanische Kinder dürfen die öffentlichen Schulen nicht mehr besuchen.
Nach Jahren der Angst und Ungewissheit erfahren wir die bittere Wahrheit: Der Mörder war kein Afghane. Es war alles ein schrecklicher Irrtum. Doch die Wunden sitzen tief. Das Misstrauen und die Vorurteile gegen Afghanen bleiben.
Berlin, Dezember 2016: Die Bedrohung durch islamistische Terrorgruppen wie den IS ist allgegenwärtig. In ganz Europa wächst die Angst vor dem nächsten Attentat. Auch für mich, als afghanischer Flüchtling, gesellt sich zu den Sorgen um Sicherheit und Zukunft die Angst davor, dass ein Täter mit afghanischem Hintergrund alles verändern könnte.
Unser Asylantrag ist noch nicht entschieden. Was, wenn die Politik nach einem Anschlag durch einen Afghanen alle Asylanträge ablehnt und wir alle zurück nach Afghanistan abgeschoben werden?
Mannheim, Juni 2024: Ein Mann afghanischer Herkunft sticht in Mannheim einen Polizisten tödlich nieder. Die Tat erschüttert die Stadt und bringt erneut die Diskussion über Abschiebungen auf den Plan.
Obwohl die Behörden den Täter als „islamistisch-radikalisierten Einzeltäter“ einstufen und keine Hinweise auf eine Gruppenzugehörigkeit finden, lastet erneut ein Generalverdacht auf allen Afghanen. Hass und Hetze verbreiten sich in den sozialen Medien. „Endlich abschieben!“ und „Kooperation mit den Taliban“ werden gefordert.
Es ist 20 Uhr, als mein Mann von der Arbeit nach Hause kommt. Mit besorgtem Gesicht berichtet er von einem schockierenden Ereignis: Ein Unbekannter hat einen Stein auf das Auto meiner Eltern geworfen und ist anschließend geflohen. Die Situation ist beängstigend und die Frage drängt sich auf: Müssen wir erneut das Land verlassen?
Die Anschläge und die damit verbundene Stigmatisierung Afghaner führen zu Verzweiflung und einem Gefühl der Ausgrenzung. Menschen, die sich ungehört und unverstanden fühlen, suchen nach Halt und Orientierung in extremistischen Gruppen.
Es ist an der Zeit, den Teufelskreis aus Angst, Hass und Gewalt zu durchbrechen. Wir müssen Afghanen nicht als potenzielle Täter, sondern als Mitmenschen sehen, die wie alle anderen ein Recht auf Sicherheit, Würde und ein gutes Leben haben.
Die Anschläge einzelner dürfen nicht die Grundlage für unsere Politik sein. Wir dürfen uns nicht von Angst und Vorurteilen leiten lassen, sondern müssen die Werte verteidigen, die unsere Gesellschaft ausmachen: Humanität, Toleranz und gelebte Demokratie.
Ausgrenzung und Hass zwingen Menschen in die Defensive, nähren Radikalisierung und gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Anstatt spalterische Rhetorik zu verbreiten, sollten wir uns auf unsere gemeinsamen Werte und die Suche nach konstruktiven Lösungen fokussieren. Integration und Dialog sind der Schlüssel zu einem friedlichen Miteinander, in dem alle Menschen – unabhängig von Herkunft oder Religion – ihren Platz finden können.
Mehr als nur Heimweh

In den letzten Tagen haben Berichte über Geflüchtete, die trotz ihres Schutzstatus in ihre Herkunftsländer reisen, für Aufsehen gesorgt. Besonders im Fall von Afghanistan, einem Land, das von anhaltenden Konflikten und einer unsicheren Sicherheitslage geprägt ist, stellt sich die Frage nach den Gründen für solche Reisen und den damit verbundenen Risiken und mögliche Konsequenzen.
Die Gründe für die Rückkehr nach Afghanistan sind vielfältig und individuell. Ein zentraler Faktor ist familiäre Bindungen: Viele afghanische Geflüchtete haben in Afghanistan enge Familienangehörige, die sie trotz ihrer Flucht nicht im Stich lassen können. Es gibt Fälle, in denen ein schwerer Krankheitsfall oder ein Todesfall in der Familie die Rückkehr notwendig macht. Auch wirtschaftliche Gründe spielen eine Rolle, etwa wenn Geflüchtete zurückkehren, um ihr Eigentum zu verwalten. Viele Afghanen mussten das Land plötzlich verlassen und hatten keine Gelegenheit, ihr Hab und Gut zu sichern. Häuser, Geschäfte und andere Besitztümer blieben ungeschützt zurück. In ihrer Abwesenheit besteht das Risiko, dass diese leerstehenden Gebäude von den Taliban oder anderen Gruppen besetzt werden. Eine Rückkehr könnte notwendig sein, um rechtliche Angelegenheiten zu regeln, das Eigentum zu schützen oder es zu verkaufen, um sich eine neue Existenz im Exil aufzubauen. Ohne die Möglichkeit, ihr Eigentum zu verwalten, könnten diese Geflüchteten schwerwiegende finanzielle Verluste erleiden, die ihre ohnehin schon schwierige Situation weiter verschlechtern würden.
Allerdings ist es wichtig zu betonen, dass diese Entscheidung oft mit großer Angst und Unsicherheit verbunden ist. Viele Geflüchtete sind sich die Risiken bewusst, die sie eingehen.
Die Entscheidung für eine Rückkehr nach Afghanistan ist mit erheblichen Gefahren verbunden, die weit über die allgemeine Instabilität hinausgehen. Das Taliban-Regime ist keine homogene Einheit, sondern besteht aus verschiedenen Fraktionen mit unterschiedlichen Interessen und Machtansprüchen. Dies führt zu einer willkürlichen Anwendung von Gesetzen und Vorschriften sowie zu einer hohen Wahrscheinlichkeit von unberechtigten Inhaftierungen, Folterungen und anderen Menschenrechtsverletzungen. Die Sicherheitssituation kann sich von Region zu Region stark unterscheiden, und selbst innerhalb einer Provinz kann es zu erheblichen Unterschieden kommen.
Besonders gefährdet sind diejenigen, die von den Taliban als Gegner betrachtet werden. Dazu zählen ehemalige Regierungsmitglieder, Mitarbeiter internationaler Organisationen sowie Menschen, die sich für Demokratie und Menschenrechte eingesetzt haben.
Die Gefahr von Entführungen ist allgegenwärtig. Sowohl kriminelle Banden als auch bewaffnete Gruppen entführen Menschen, um Lösegeld zu erpressen oder politische Ziele zu verfolgen. Diese Praxis hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen und stellt eine erhebliche Bedrohung für die Sicherheit der Bevölkerung dar.
Die Rückkehr kann daher über Leben und Tod entscheiden.
Die Entscheidung, in das Herkunftsland zurückzukehren, birgt nicht nur die oben genannten Sicherheitsrisiken, sondern hat auch erhebliche rechtliche Konsequenzen. Eine der gravierendsten ist der Verlust des Flüchtlingsstatus.
Im Jahr 2023 lebten etwa 400.000 Menschen afghanischer Staatsangehörigkeit in Deutschland, von denen 60.000 einen sogenannten Blauen Pass, einen „Reiseausweis für Flüchtlinge“, erhielten. Reisen Personen mit diesem Pass in ihr Herkunftsland und kehren freiwillig nach Deutschland zurück, besteht laut Art. 1 Abschnitt. C Genfer Flüchtlings-konvention und §§ 73 ff. Asylgesetz die Gefahr, dass ihr Asylstatus und ihr Aufenthaltsrecht aberkannt werden. Neben Straffälligkeit oder einer verbesserten Situation im Heimatland kann auch eine Urlaubsreise dorthin den Verlust des Asylstatus zur Folge haben. Wenn also eine Person, die in einem anderen Land Schutz erhalten hat, in ihr Heimatland zurückkehrt, aus dem sie ursprünglich wegen Krieg oder Verfolgung geflohen ist, kann dies nach der Genfer Konvention als „Endigungsgrund“ für den Schutzstatus gewertet werden. In einem solchen Fall muss das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ein Aberkennungsverfahren einleiten. Eine automatische Aberkennung des Status erfolgt jedoch in einem Rechtsstaat nicht und Ob der Status tatsächlich aberkannt wird, hängt von den individuellen Umständen und der „Motivation“ für die Reise ab. Beispielsweise kann der Besuch einer Beerdigung eines nahen Verwandten unter bestimmten Umständen geduldet werden.
Die Verwendung des Wortes „Urlaub“ in diesem Zusammenhang ist besonders problematisch und irreführend, da sie suggeriert, dass Geflüchtete aus reinen Erholungsgründen nach Afghanistan zurückkehren. Dies verschärft die Situation erheblich, da es den Eindruck erweckt, dass Geflüchtete ihren Schutzstatus ausnutzen, um in Länder zurückzukehren, in denen sie angeblich in Gefahr sind. Solche Begriffe können das öffentliche Misstrauen gegenüber Geflüchteten weiter anheizen und die Debatte über ihre Glaubwürdigkeit auf eine unfaire Weise beeinflussen.
Die Prämisse, dass Geflüchtete in Afghanistan Urlaub machen, ist eine stark vereinfachte und potenziell falsche Darstellung einer komplexen Situation. Sie ignoriert die individuellen Umstände jedes einzelnen Geflüchteten, die Sicherheitsrisiken, die mit einer solchen Reise verbunden sind, sowie die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen. Es ist wichtig, die individuellen Umstände jedes einzelnen Geflüchteten zu berücksichtigen und eine Politik zu entwickeln, die sowohl die Rechte der Geflüchteten als auch die Sicherheitsinteressen der Aufnahmeländer berücksichtigt.
Weltkindertag

Am Weltkindertag rückt die Frage nach den grundlegenden Rechten und Chancen von Kindern weltweit in den Fokus. Besonders drängend ist die Lage in Afghanistan, wo Mädchen ab der siebten Klasse vom Schulbesuch ausgeschlossen sind. Damit ist ihnen nicht nur eine wesentliche Grundlage für ihre persönliche Entwicklung verwehrt, sondern auch der gesellschaftliche Fortschritt im Land gefährdet. Viele dieser Kinder und ihre Familien leben zudem in akuter Armut, ohne ausreichende medizinische Versorgung oder ein stabiles soziales Netz.
Dennoch bleibt für zahlreiche afghanische Familien oft nur der Ausweg der Flucht. In den Nachbarländern Iran und Pakistan treffen sie jedoch auf ähnliche Probleme: fehlende Aufenthaltsgenehmigungen, unsichere Unterkünfte und kaum Zugänge zu Bildung oder Gesundheitsleistungen. Unter diesen Bedingungen wird das kindliche Aufwachsen zur täglichen Herausforderung. Für manche endet die Suche nach Sicherheit sogar tragisch: Immer wieder ertrinken Geflüchtete, darunter auch Kinder, im Mittelmeer oder in der Adria; andere erfrieren auf ihrer Route in eisigen Winternächten.
Doch selbst wer einen sicheren Staat erreicht, ist mit neuen Hindernissen konfrontiert. Viele Eltern sind durch Krieg und Flucht traumatisiert und benötigen dringend psychologische Unterstützung. Hinzu kommen Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede und die Ungewissheit, ob sie dauerhaft bleiben können. Auch Kinder, die dem unmittelbaren Konflikt entkommen sind, stehen somit weiterhin vor existenziellen Fragen und Schwierigkeiten, die ein unbeschwertes Heranwachsen erschweren.
Diese Situation verdeutlicht, wie verletzlich Kinder in Krisengebieten oder auf der Flucht sind. Am Weltkindertag sollten wir uns daher nicht nur an die allgemeinen Kinderrechte erinnern, sondern gezielt darauf hinweisen, dass jedem Kind – unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Fluchtstatus – ein Leben in Sicherheit und Würde zusteht. Um dies zu erreichen, sind sowohl internationale Hilfsorganisationen als auch politische Entscheider gefordert, für nachhaltige Verbesserungen zu sorgen. Spendenaktionen, ehrenamtliches Engagement und ein entschlossenes Eintreten für die Rechte geflüchteter Kinder sind essenzielle Schritte, um den Jüngsten in Afghanistan und auf der Flucht eine Zukunft zu ermöglichen, die ihnen so lange verwehrt blieb.
Verwundet und vertrieben: afghanische Frauen in Deutschland

„Ich habe geglaubt, in Deutschland bin ich endlich sicher.“ Dieser Satz könnte von vielen geflüchteten Frauen aus Afghanistan stammen, die nach Jahren des Lebens unter den Taliban auf ein Ende von Gewalt und Unterdrückung hoffen. Doch für viele beginnt die Angst hier von Neuem – anders, subtiler, aber genauso zerstörerisch. Der 25. November, der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen, erinnert uns daran, wie vielfältig und tief verwurzelt Gewalt sein kann – besonders für afghanische Frauen, die in Deutschland leben.